Cusanus - Alles auf Anfang  
 

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  Nikolaus von Kues, ein Philosoph des 15. Jahrhunderts - zuerst Anwalt, zuletzt Bischof – lebt in einer Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit. Es ist eine Zeit, in der sich das Eine – oder das Absolute – auf den langen Weg macht zu seiner Verdinglichung, um am Ende als Relation zu allen anderen Dingen – dem Vielen – in einem dialektischen Zusammenhang zu stehen. Cusanus stellt die ersten Weichen für ein nachprüfbares Wissen, gibt aber die mittelalterliche Gewissheit des Einen (Cusanus nennt es nach wie vor Gott) nicht auf, sondern versteht es als Nichtwissen und nach wie vor als Voraussetzung für alles Wissen können. Im einen Unendlichen, in der Vernunft, sieht er die vom Verstand geprägten Gegensätze und Widersprüche der vielen Endlichen aufgehoben und vereint.

Auch die Kunst ist ein Ding in Relation zu anderen Dingen. Ihr steter Versuch, mehr zu sein, als es scheint, verweist auf ihre ideelle Herkunft selbst dann noch, wenn sie (die Kunst) die Märkte der Schausteller und Händler erreicht hat. Hier zeigt sich die Kunst in ihrer größten Veräußerlichung. Nun wäre es angebracht, einen Weg zurückzufinden zu einer erneuten ideellen Verinnerlichung.

Die Einengung der Ressource Kunst auf ein Spektakel ebenso wie auf das Handel- und Verhandelbare wird in Gang gesetzt ausgerechnet durch diejenigen, die für die Kunst etwas tun wollen und sich entsprechend einsetzen. Gemeint sind jene Institutionen, deren Hang zum Aussortieren, Hervorheben und Verschweigen nun einmal ihr angestammtes Tagesgeschäft ist, weil alle sich in einem Wettbewerb um Aufmerksamkeit befinden.

Trotz der sinnvollen Absicht, den wahren Wert von Kunstwerken aufzeigen bzw. einer Informationspflicht nachkommen zu wollen, verschiebt sich durch diese Tätigkeit an und mit der Kunst deren ideeller Wert zugunsten des Warenwertes.

  Interessant dabei ist der Umstand, dass in diesem von Wenigen gesellschaftlich betriebenen Prozess der Wertebildung ein geistiges Vermögen die Voraussetzung für ein am Ende materielles Vermögen ist; im Sinne der ästhetischen Nutzung von Kunst sollte es eher umgekehrt sein. Hat aber der Warenwert den wahren Wert erst einmal verdrängt und befindet sich im Wachstum, ist eine oft wünschenswerte erneute Hinterfragung der Kunst nicht nur nicht möglich, sondern sie ist geradezu ein Tabu.

Die öffentlich zur Schau gestellte Kunst hat die alternative Möglichkeit ihrer Verinnerlichung – dass die Kunst selbst-verständlich in die Häuser der Menschen, in ihre vor allem privaten Lebensräume, gehört – völlig aus den Augen verloren. So ist zu hoffen, dass das institutionelle Herrichten (Anrichten) der Kunst auf Zeit zwar seinen informativen Charakter behält, darüber hinaus aber als Erlebnisform wenn nicht gar an Bedeutung verliert, so doch wenigstens eine individuell selbstbestimmte (öffentlich nicht einsehbare) Ergänzung erfährt. Dann könnte die Kunst eine ihrer Stärken zeigen, nämlich kontemplativ zu sein, vor allem aber, schweigen zu können weit weg von einer Veranstaltung für Massen.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Statt einer Privatisierung der Kunst (als erschwinglich zu erwerbende ästhetische Gegenstände für Viele) wächst das Selbstverständnis, Kunst als zeitlich begrenzte Inszenierung im wie auch immer gearteten öffentlichen Raum zu akzeptieren. So richtet sich der darauf zumeist multimedial reagierende und im gleichen Maße abhängige Künstler konsequenterweise nicht etwa an ein Publikum, sondern der Adressat seiner Vorstellungen ist derjenige, der sie realisieren kann. Diesem wiederum fällt die Aufgabe zu, ein Publikum zu generieren.

 
In der Geschichte der Kunst gibt es den entscheidenden emanzipatorischen Augenblick, in welchem die Kunst sich nicht nur von kirchlichen und fürstlichen Abhängigkeiten befreit, sondern sich gleichzeitig auch von Ort und Zeit unabhängig macht – als Gegenstand. Dieses Rad dreht sich offenbar (auch durch neue Formen der Maßlosigkeit) zurück in eine alte/neue institutionelle Abhängigkeit. Man könnte dieses Verhältnis als ein neofeudales (in der z. B. der Kurator die Fürstenrolle übernimmt) bezeichnen.

Cusanus ist ein Gedanken- bzw. Arbeitsmodell - sozusagen die Beibehaltung einer Fragestellung - nach wie vor für eine intime Aufarbeitung der Verhältnisse des Einen zum Vielen, des Absoluten zum Relativen, des Ideellen zum Realen - des Was-könnte-sonst-noch-sein. Cusanus ist ein Programm der Verinnerlichung in einem Wechselspiel zwischen Wahrnehmen und Denken, Sinnlichkeit und Verstand in einer bewegten Balance. Naturgemäß gehen so verstandene Arbeiten das Risiko ein, übersehen zu werden, was nicht weiter tragisch ist, denn es ist gewiss, dass sie als Dinge neben anderen Dingen in der Welt sind.

In der Konsequenz, Studien zur Kontemplation zu sein, sind die Cusanus-Arbeiten nicht für die Öffentlichkeit, sondern für den Hausgebrauch bestimmt. Sie erfordern eine private Präsenz über den Tag hinaus mit der Möglichkeit, wahrgenommen zu werden oder auch nicht.