Terra - Auf der Suche  
 

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  Man könnte meinen, es geht um Farbe. Im handwerklichen Sinne ist das auch so, mehr noch geht es jedoch um Wahrnehmung.
Farbsubstanzen haben, wenn sie vielschichtig sind, in ihrer Anwendung entsprechend viele Möglichkeiten. Wenn man sie der Reihe nach nutzt, bedeutet das für die Wahrnehmung ebenso viele Standpunkte, in diesem Falle Sehweisen. Das sogenannte Ganze erweist sich vor diesem Hintergrund als eine über Ort und Zeit hinausgehende Idee, für die man zu allen Zeiten - und nicht nur in der Kunst - Bilder gesucht hat.

Weil wir an Ort und Zeit gebunden sind, nehmen wir ausschließlich fragmentarisch wahr. Unser Merkmal ist die Vergänglichkeit und unser Vermächtnis ist die Erzählung. Darüber hinaus ergibt sich die Möglichkeit, mehr oder weniger komplexe Formen des Innehaltens zu entwickeln. Nichts anderes ist ein Bild.

Terra - ein ebenso unspektakulärer weil verbreiteter Begriff wie Kosmos – ist der zusammenfassende Titel verschiedener Arbeiten. Gemeinsam ist ihnen eine Farbstruktur, in der das Bunte und Unbunte nicht miteinander verschmilzt (wie etwa in den Kosmos-Arbeiten), sondern sich auch formal voneinander unterscheidet. Daraus ergibt sich über den malerischen Wert von Farbigkeit hinaus die Möglichkeit einer Kontur, einer Bezeichnung, vielleicht sogar einer Gestalt – mehr oder weniger deutlich z. B. als kontrastierendes konstruktives Element oder doch wiederum als malerisch eingebundene Andeutung.

  Die Terra-Arbeiten sind (wie übrigens auch alle anderen Arbeiten vorher) mehrteilig, um im konkreten Sinne das Verhältnis von Teilen zu einem Ganzen zu veranschaulichen. Wenn man nun eine solche mehrteilige Arbeit, die z. B. aus einer zwölfteiligen Farbsubstanz besteht, durch Rotation variieren will, ließen sich (ohne die Komponenten im Ablauf zu verändern) 12 Arbeiten herstellen. Man beginnt die erste Arbeit mit der ersten Komponente, die zweite Arbeit mit der zweiten Komponente usw. Eine 13. Arbeit wäre demnach mit der ersten Arbeit identisch. Also ergibt sich - im Ganzen - eine Serie von 12 Arbeiten, die alle für sich betrachtet bereits ein Teile-Ganzes-Verhältnis thematisieren, in der Summe jedoch eine weitere übergeordnete Ganzheit bilden. Diese erweiterte Komplexität, wie sie in der Serie der Terra-Paare vorkommt, wird hier als das dritte Bild bezeichnet.

Die Paare-Serie ist ein Beispiel für das dritte Bild, indem jede Arbeit ein konstruktives Element (in diesem Falle ist es ein grauer Streifen) enthält, das sich in der vollständigen Serie zu einem idealen Bild zusammensetzt.

Das Prinzip des dritten Bildes wurde zum ersten Mal in der Arbeit Großes Fensterbild von 1986-88 angewandt, und zwar in einem doppelten Sinne. Zum einen durchzieht ein schwarzer Streifen die 12- beziehungsweise 72-teilige Arbeit, was in der Summe ein schwarzes Bild ergibt, zum anderen sind es unregelmäßige weiße Partien, die zusammengesetzt ein entsprechendes Gegengewicht bilden.
Auch die Arbeitsserien Das rote Bild sowie (teilweise) Tage und Nächte, beide von 2012, bedienen sich des Prinzips des dritten Bildes.

 
Muss man wissen, wie eine künstlerische Arbeit aufgebaut ist, oder ist es besser, die Kraft der Ungewissheit (das Wunder) wirken zu lassen? Im letzten Falle steht offensichtlich ein psychologischer Aspekt im Vordergrund, während man durch logische Überlegungen in einer künstlerischen Arbeit (wie das hier der Fall ist) eher eine philosophische Ebene anspricht. Dies ist keineswegs eine Entweihung, es wird kein Geheimnis preisgegeben - zumal jede Arbeit (der eine Überlegung voraus geht) eine Menge Unwägbarkeiten und entsprechend viele spontane, nicht geplante Entscheidungen enthält.

Man muss nicht wissen, wie eine künstlerische Arbeit aufgebaut ist. Ein ästhetisches Werk ist zuerst einmal etwas Wahrnehmbares und zuletzt etwas Wirkendes. Da wir aber alle auch Wissende sind, gibt es unter uns auch Neugierige.