Der soziale Raum - Text 2 von 2        
 

Start

 

Themen

  weiter  
                                   
                                   
                                   
                                   
  Die Arbeiten zum Sozialen Raum sind wesentlich an die Fotografie gebunden. Als Dokumente sind Fotografien Repräsentanten des Vergangenen. Ihre (spätere) Erfahrung erfordert Gegenwart, worüber man sich keine Gedanken macht. Offensichtlich ist es selbstverständlich, daß man mit dem Körper in der Gegenwart und mit den Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukunft ist (der Körper als Synonym für Gegenwart). Es stellt sich die Frage: Kann ein augenblickliches Er-Leben als ein In der Zeit Sein ästhetisch strukturiert werden? Nun geschieht jede Betrachtung (und nicht nur die eines Kunstwerks) aus einem Hier und Jetzt heraus; was aber ist, wenn dieses zu betrachtende Gegenüber kein Kunstwerk ist, das uns bannt, sondern ein (z.B. farbig markierter) Raum für nichts anderes als den tatsächlichen - eigenen - Augenblick? In diesem Falle wäre man nicht vor - sondern in dem Werk (das Werk, das sich selbst betrachtet). Man hätte es mit einer Erfahrungs-Umkehr zu tun hat, indem die Vergangenheit auf die Gegenwart verweist.

In einer Kölner Galerie gab es 1980 die Möglichkeit, ein dreigliedriges Hier-und-Jetzt-Projekt zu realisieren. Drei nebeneinanderliegende Räume waren durch Türen miteinander verbunden. Man betrat die Räume durch den mittleren, der grün gestrichen und ansonsten völlig leer war.

  Grün war der Raum deswegen, weil der Galerist (bei der Überlegung, wie eine Farbe zu begründen sei) auf die Einheitsfarbe der Kölner Rheinbrücken hinwies. Der grüne Raum war der Repräsentant des Hier und Jetzt als Gegenwart. Im linken Raum gab es als dokumentierte Vergangenheit eine Dia-Projektion: Paris 1976. Zu sehen waren Passanten auf den Straßen, sozusagen das ganz normale Leben in einem öffentlichen Außenraum. Der Satz Die Beschreibung eines Flusses aus der Sicht eines Fisches gibt in etwa die Haltung des Fotografen wieder, der wie alle anderen in Paris unterwegs war. Tatsächlich aber war der Fotograf als Meta-Passant nur deswegen unterwegs, um das Erscheinungsbild der anderen festzuhalten. Im rechten Raum der Galerie befanden sich Texttafeln, deren allgemeine Aussagen sich (Zeiten unabhängig) auf die Vergangenheit wie auch auf die Gegenwart bezogen. Die Tafeln bildeten die gedankliche Klammer für zwei Orte und zwei Zeiten, für Innen und Außen, für Öffentlichkeit und Privatheit, für das Fremde und das Traute, für das Andere und das Eigene - und mitten drin in diesem mehrfachen Geschehen der Besucher, unter Umständen erstaunt, nichts vorzufinden - sich selbst übersehend.

Die Hier-und-Jetzt-Thematik findet von 1981-84 ihre Fortsetzung in der für vier Jahre und vier Länder konzipierten Arbeit Leben (Vivre, Vivere, Life) als eine Reise durch vier verschiedene Kulturräume.

 
Diesmal ist es jeweils ein Buch, welches das Leben in einem öffentlichen Außenraum dokumentiert, um einem fließenden Hier und Jetzt in Form eines privaten Innenraumes samt seiner Bewohner gegenübergestellt zu werden. Das Werk ist die Identität schlechthin, weil es sich von seinen Orten und aus seinen (inzwischen vergangenen) Zeiten nicht lösen kann; es hat sich sozusagen selbst aufgelöst.

Die Arbeiten zum Sozialen Raum werden abgeschlossen durch Das gelbe Dreieck von 1986-87, eine Bündelung privater Lebensräume, deren formale Gemeinsamkeit das (vorläufige) Anbringen eines gelben Dreiecks auf einer Wand ist. So entsteht eine soziale Gruppe auf Zeit, gekennzeichnet durch das Bemühen der Teilnehmer, sich über eine künstlerische Arbeit auszutauschen. Dies ist dann auch der Sinn der Arbeit: eine Kommunikation über ein Werk in Gang zu setzen - um selbst ihr Inhalt zu sein - indem eine erste Gruppe von Teilnehmern versucht, eine zweite und diese eine dritte Gruppe für das Projekt zu gewinnen. So entsteht eine Arbeit, die zwar existent durch ihre Orte, aber nicht greifbar ist in den Gesprächen, die von Zustimmung und Ablehnung, von Verständnis und Unverständnis geprägt sind (und dies alles macht den Umfang der Arbeit aus). Allein eine Dokumentation gibt Auskunft über die Orte, sie nennt die Straßen, nicht aber die Häuser, um deren Anonymität zu wahren.