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Wann hat eine
künstlerische Arbeit eine ästhetische
Struktur? Zum Beispiel dann, wenn sich neben
der Wiedergabe einer besonderen Wahrnehmung auch
deren allgemeine Bedingungen offenbaren.
Traditionell findet die Erweiterung einer
künstlerischen Arbeit durch Interpretation des
auf dem Werk Sichtbaren statt, d. h., im Kunst-Erleben
wird das in der Regel statische Werk ergänzt
durch eine Variable: den geistigen Hintergrund
des Betrachters. Kunst-Kenner stabilisieren diese
Variable durch Vorweg-Interpretationen und
verallgemeinern in einem kulturellen Prozeß die
Lesart eines Werks; es wird sozusagen kulturell
genormt. In den hier vorgestellten Arbeiten geht
es nicht um das klassische Bild und seine
interpretative Vielschichtigkeit, sondern um
Strukturen, die zuerst einmal nichts mit den
Wahrnehmungs-Inhalten, dafür aber mit
deren Voraussetzungen als Wahrnehmungs-Formen
zu tun haben. Diese Strukturen sind Raster, die
linear nicht lesbar, wohl aber im Sinne eines
Schachbretts räumlich bespielbar sind; d. h.
thematisiert wird kein Einzelphänomen, sondern
die Zusammenhänge von Phänomenen. Ein Beispiel
für eine strukturelle Arbeitsweise ist die
Arbeit Namen von 1975. Sie verknüpft
drei voneinander getrennte Phänomene: eine
Lektüre, ein Klingelschild, eine unbekannte
Person. Erst in der Rezeption kann deutlich
werden, daß die drei Erscheinungsebenen die
gleiche Ursache haben könnten. So gesehen werden
keine Geschichten erzählt, aber deren
Bedingungen bereitgestellt. |
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Eine strukturelle
Arbeitsweise kann das klassische Bild nicht
ersetzen, aber ergänzen, so wie die Abstraktion
die Gegenständlichkeit ergänzt hat. Für eine
strukturelle Arbeitsweise ist es nicht
entscheidend, ob der visuelle Einstieg in ein
Werk sinnlich-erfahrbar oder konstruktiv-gedacht
ist, weil es jedes Mal um ein komplexes Erkennen
geht, in dem das Sinnliche und das
Rationale (als das Gedachte) aufeinander bezogen
sind. Bereits
in den Variablen Plastiken geht es um
Strukturen, geht es um die Gliederung eines in
der Regel nicht erfahrbaren Zusammenhangs. In den
Arbeiten zum Sozialen Raum werden die
Materialien durch die Fotografie als eine
mechanistische Illusion ersetzt. Plötzlich ist
die Welt, wenn auch als Abbild, wieder da. Es
gibt Spektakuläres, Kurioses, Einmaliges,
Besonderes, aber es gibt auch das Allgemeine an
sich - das, was allem gemeinsam ist. Dies
insgesamt erweist sich nun als ein ergiebiges
Arbeitsgebiet, das geradezu darauf drängt, in
einem ästhetischen Sinne in seinen Bedingungen
strukturiert zu werden.
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Die ersten Arbeiten dieser Art sind
Denkmal 1 und 2 von 1970. Eine dieser
Arbeiten zeigt in vier Fotografien die vier
Seiten eines Denkmalsockels. Auf den Stufen
unterhalb des Sockels verteilen sich Personen.
Die meisten von ihnen sitzen auf einer der vier
Seiten (vielleicht ist sie der Sonne zugewandt
oder windgeschützt), während eine einzelne
Person den Positionswechsel der Kamera mit
vollzieht und auf allen vier Fotos zu sehen ist.
Die übrigen Personen haben alle ihre Gründe, da
(oder dort) zu sein; das ist die Geschichte. Nur
die Einzelperson ist alleine deswegen im Bild, um
als Meta-Person das Verhalten der anderen zu
strukturieren. Damit beweist sie, daß man auf
jeder Seite sitzen kann - als Voraussetzung für
alle anderen. Über einen Zeitraum von 17 Jahren
entstehen verschieden strukturierte Arbeiten, die
schließlich in den Versuchen zur Identität
1987 enden. Kern dieses gesamten Arbeitskomplexes
sind die Beziehungen-Bedeutungen 11
Jahre vorher, in denen ein inhaltlich paralleles
Bildmaterial einer gleich großen Menge
sprachlicher Aussagen schematisch
gegenübergestellt wird. Wieder ist es das Ziel,
die Voraussetzungen für die Wahrheit von
Phänomenen (und nicht die Wahrheit selbst - das
wäre eine Geschichte) in einem Raster aufzeigen
zu wollen.
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