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Die Anachronismus-Studien
sind ausschließlich Arbeiten auf Papier.
Ihren Namen verdanken sie dem schlechten Gewissen,
sich nach vielen Jahren erneut auf die Enge einer
herkömmlichen Arbeitsweise einlassen zu wollen.
Allerdings besteht die Hoffnung, das bisher
Versuchte weiterentwickeln zu können. Methodisch
wird das Prinzip der 4er-Serien beibehalten. In
ihnen verselbstständigen sich die strukturellen
Prinzipien der bisherigen Arbeiten, die Hinweise
auf reale Anschaulichkeiten verschwinden mit der
Zeit ganz. Die Formalien der 4er-Serien werden
nicht einfach nur durchdekliniert, obwohl das ihr
Grundgedanke ist, sondern es kommt zu
Verschiebungen und Veränderungen; was irgendwo
verschwindet, kann anderswo wieder auftauchen. Im
Ganzen geht es zu wie auf einer Baustelle, auf
der trotz aller Unübersichtlichkeit mehrere
Ordnungen nebeneinander existieren. Der Übergang von den Orte
und Zeiten-Arbeiten zu den eigentlichen Anachronismus-Studien
erfolgt mit der 24-teiligen Arbeit Fassaden.
Architektonische Hinweise sind in dieser Arbeit
genau so unverkennbar wie in den nachfolgenden Orten
und Zeiten-anonym, in denen jedes Mal
dieselbe (sich schrittweise verschiebende)
architektonische Silhouette verarbeitet ist.
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Es zeigt sich, daß eine
strukturelle Arbeitsweise sowohl mit als auch
ohne Gegenstandshinweise realisiert werden kann.
Folgende Unterscheidung lässt sich treffen: ein
gegenständlicher Hinweis ergibt einen Zugang
über die Sinnlichkeit mit den Eigenschaften der
Beobachtung, der Einstieg in die Rezeption ist
relativ; kein gegenständlicher Hinweis
ergibt einen Zugang über den Verstand mit den
Eigenschaften der Nachdenklichkeit oder
Kontemplation, der Einstieg in die Rezeption ist
absolut; vereinfacht könnte man auch sagen: Er
ist allgemein. Es mag sein, daß ein Maler davon
träumt, das ideale Bild (das Bild schlechthin)
zu malen. Bei den 4er-Serien ist es umgekehrt,
sie beginnen ideal, indem vier Grundfarben auf
vier Rechtecke verteilt sind. Die Situation ist
deswegen ideal, weil erstens Form und Farbe
identisch sind, sie lassen sich nicht voneinander
trennen (Raum und Zeit sind eins) und weil
zweitens alle Form- und Farb-Möglichkeiten
theoretisch in diesem Bündnis enthalten sind;
ein Zustand von großer Schönheit. Der
entscheidende künstlerische Vorgang ist nun der
Eingriff in diese Idealität, wodurch es zu einer
neuen Anschaulichkeit kommt, von den
Verhältnissen zwischen einem Ideal als dem
Absoluten und dem Relativen - das, was uns
möglich ist. Nach wie vor geht es also um ein
Ausloten, deren Ergebnisse nicht als abstrakt und
auch nicht als konkret, sondern als strukturell
zu verstehen sind. Aus dieser Sicht ist z. B.
eine Farbgebung dann eine Willkür, wenn sich
nicht erklären lässt, warum diese Farben und
keine anderen zum Ausdruck gebracht werden.
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Viele minimalistische Arbeiten der
60er Jahre bedienen sich einer ästhetischen
Willkür, allerdings bewußt, denn das Werk soll
eher ein Ding und weniger eine Darstellung sein.
Frank Stella z. B. hat dann auch
konsequenterweise Piet Mondrian den Vorwurf
gemacht, in seinen Arbeiten immer noch etwas zusätzlich
ausdrücken zu wollen. Die hier vorgestellten Arbeiten
einer strukturellen Ästhetik verdanken ihre
ersten Impulse den amerikanischen Minimalisten.
Allerdings wurde sehr schnell die Haltung (oder
war es eine Notwendigkeit?) dieser Künstler
erkannt, mit ihren befreiten Objekten dann
doch wieder traditionell verharren zu wollen im
Sinne von Standbildern; die Autonomie der Kunst
birgt einen Widerspruch: je mehr sie sich den
Erscheinungen des Alltags nähert, um so mehr
muß sie institutionell geschützt werden (was
die Institutionen freut). Vor diesem Hintergrund
erwies sich Yves Klein (wegen seiner nicht nur
geistigen, sondern auch konkreten Beweglichkeit)
als der wegweisendere Künstler. Doch auch hier
fand ein Abschied statt, ebenso von Piet Mondrian,
nachdem beide Künstler auf unterschiedliche
Weise entscheidende Anstöße gegeben haben.
Nicht zu vergessen sind die Einflüsse von Paul
Cezanne, der den formalen Strukturgedanken in die
Welt gesetzt hat, und von Marcel Duchamp, dessen
Scharlatanerie (eine Selbstbezichtigung) auch
heute noch den Ernst der Lage immer wieder
infrage stellt und damit relativiert.
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